So-froehlich photography

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Downtown

Hurghada DowtownDas Leben pulsiert in der Altstadt trotz der Hitze
Es ist 10 Uhr als ich beschließe die Altstadt von Hurghada zu besuchen. Ich komme mir ein bisschen vor als wäre ich allein auf einem anderen Planeten gestrandet. Ich spreche die hiesige Sprache nicht und Hinweisschilder gibt es auch nicht. Ich bin allein. Indien zählt da nicht. Da war ich nie alleine unterwegs und hatte immer jemanden zum Händchenhalten beim umherstreifen. Ich verlasse das Hotel. Der Wind peitscht mir den Sand ins Gesicht. Meine Güter ich hab ja in München schon Probleme mit dem Busfahren. Wie soll das erst hier werden. Außerdem habe ich keine Ahnung wo ich eigentlich hin möchte. Busfahren, dass habe ich mittlerweile mit bekommen, funktioniert hier folgendermaßen. Man stellt sich irgendwo an den Straßenrand und warten bis ein Bus vorbei kommt der hält dann und nimmt einen mit. Prima wenn der Bus dann noch dahin fährt wo man hin möchte. Ich beschließe also es zunächst mal mit einem Taxi zu versuchen. Klar, hätte ich mir eins an der Rezeption bestellen können, das wäre aber weit weniger cool gewesen als einfach eins an zu halten. Ich gehe über den Parkplatz in Richtung Straße. Die Suche nach dem Taxi gestaltet sich ziemlich einfach. Nach dem das Taxi mich fast überfahren hat als ich die Straße überqueren wollte, hat der Fahrer einfach zurück gesetzt und mich aufgesammelt. So lerne ich Ali den Taxifahrer kennen. Wir feilschen ein wenig um den Preis und darüber wo ich nun eigentlich hin möchte. Was zu Haus unmöglich erscheint „Ich will irgendwo in die Stadt, falls es denn hier überhaupt eine gibt“, stellt hier kein großes Problem dar. „You want downtown or in the new City?”Downtown hört sich spannend an. Und ich sage: „I´m looking for the suk.”„Yes, ist downtown in the old part of the city.”Sagt Ali. Und ich bestätige mit einem „O.k. Downtown!“Ali fährt los und erzählt mir nebenher was es so über Hurghada zu wissen gibt. Wir fahren vorbei an der Moschee die fast alle Touristen besuchen. Ali bringt mich die Altstadt zu den Basaren. Wobei Basare hier einfach eine Ansammlung von Geschäften meint und nicht etwa so etwas wie ein Markthalle oder einen fest umgrenzten Raum. Ali hatte mich während der Fahrt schon mehrmals gefragt, ob er mich irgendwo wieder abholen solle und als ich mir die Gegend so ansehe halte ich es für eine wirklich gute Idee. Wir verabreden uns in zwei Stunden.

Die Altstadt selbst hat nichts romantisches. Es sieht eher wie ein Arbeiterviertel aus. Aber vielleicht ist der Begriff Altstadt auch relativ. Schließlich ist Hurghada keine historische Stadt, sondern war vor 20 Jahren noch ein kleines Dorf zwischen Meer und Wüste mit einem Militärflughafen. Es gibt hier nur einfache zweckmäßige Betonbauten mit wenigen Fenstern. Schon als ich aussteige merke ich, dass ich auffalle wie ein bunter Hund. Und. Ja, meine Kleidung ist äußerst praktisch bei diesem Wetter, besonders wenn man schon einen Sonnenbrand hat. Allerdings sehe ich Ranger Smith nicht unähnlich. Das verbessert auch der Schlapphut nicht der mit ein bisschen Schatten spendet. Stellt euch einfach vor „Indiana Jones“läuft durch die Stuttgarter Innenstadt. Die Männer sind hier braun gebrannt und tragen Jeans und T-Shirts, die Frauen beneide ich mittlerweile um ihre Burkas. Wenigstens würde ich damit nicht so auffallen. Beim ersten Geschäft mache ich den Fehler mich mit den Leuten zu unterhalten. Das Gespräch dreht sich hauptsächlich darum wo ich denn herkommen und was ich denn nun bei ihnen kaufen könnte. Und während ich mich noch mit Handschlag verabschiede, steht schon der nächste auf der Matte. Ein junger Mann mit goldener Sonnenbrille, nimmt nun seinerseits meine Hand ,erzählt mir, diesmal auf deutsch, er sei in Berlin auf der Hotelfachschule gewesen und bugsiert mich in seinen Laden. Was in aller Welt soll ich in einem Schmuckgeschäft, wo meine Frau doch gar keinen Schmuck trägt. Nein und er will auch nichts verkaufen, nichts liegt ihm ferner. Er will mir nur einen Rat geben:“Geh darüber in diese Richtung. Da überall Mubarak-Mafia!“er neigt den Kopf und flüstert: „Es ist dort nicht sich sicher. Du verstehst. Dort überall Mubarak-Mafia!...und wenn du doch was kaufen willst gehe mit die andere Richtung.“Er zieht mich aus dem kleinen Laden raus und um die Ecke in einen anderen Laden hinein. Diesmal ist es ein Souveniershop. „Nein, ich will bestimmt nichts kaufen.“— „Ok.“sagt er verschwörerisch, “ich habe noch einen dritten Laden in der Neustadt..“Er drückt mir eine Karte in die Hand und ich verspreche mir den Laden wenigsten anzusehen, wenn ich je in die Neustadt kommen sollte. Dann erinnere ich mich, dass ich eigentlich zum fotografieren hier bin. Ich sehe zu, dass ich weiter komme und ignoriere es fortan wenn mich jemand anspricht.

Mit der Kamera in der Hand bin ich hier ein auffälliger Fremdkörper, der teils mißtrauisch, teils interessiert beäugt wird. Die Ägypter sind in dieser Hinsicht viel selbstsicherer als die Inder und so mache viele Bilder einfach und viel aufhebens aus der Hüfte. Schon wieder trifft mich der zerstörte Mythos vom Fotografen, der mit allen Menschen redet bevor er sie fotografiert. Diesen Pathos konnte ich schließlich schon in Indien aufgeben. Die Altstadt ist das Viertel wo die kleinen Menschen leben. Die eigentliche Bevölkerung des Ortes. An den Straßen gibt es kleine Läden in denen man alles für den täglichen Bedarf kaufen kann, kleine Cafés in denen es Tee und Wasserpfeifen gibt und Reparaturwerkstätten für alles Mögliche. Allerdings gibt es hier auch etliche, vor allem teure Geschäfte, wie Juweliere, deren Schaufenster mit Bretter vernagelt sind und augenscheinlich aufgegeben wurden. Vielleicht doch „Mubarak-Mafia“? Ich weiß es nicht. An einer Fahrradwerkstatt bleibe ich stehen. Ein bisschen sieht es hier aus wie in unserem Keller. Im meinem Kopf schallt die Stimme des Ur-Großvater nach: „Des ka´ ma´ noch brauche, des ist noch pfennigguat.“An dem Dachüberhang über dem Mechaniker baumeln kleine Fahrradsattel-Überzüge aus Brokatstoffen im trendigen Kamelsattel-Look. Das ist genau das richtige für meine Frau. Etwas wirklich Authentisches. Vor lauter Begeisterung vergesse ich sogar das Feilschen und lasse einen glücklichen Menschen zurück. Mit dem Feilschen habe ich es ohnehin nicht so. Und kann ich von Glück sagen, dass ich im Tabakladen nicht noch Mindermengenaufschlag für den Shisha-Tabak zahlen musste den mir der Verkäufer aus verschiedenen Packungen zusammenstellen musste, aber mehr als 200g darf ich nicht einführen. Wieder zurück auf der Straße wird es langsam heiß und ich verfluche mich dafür keine Wasserflasche mitgenommen zu haben. Ich schaue mich um. Die Straße ist leer gefegt. Einige Männer sitzen in einem Kaffee und rauchen Wasserpfeife. Ein Stück die Straße herunter sehe ich einen Stand mit Nüssen und Wasserflaschen. Das Feilschen gestaltet diesmal auch relativ einfach. Nach dem ich gefragt habe ob ich auch in Dollar bezahlen kann, kostet alles hier einfach einen Dollar. Es ist die kleinste Einheit für das Papiergeld. Wieder habe ich jemanden glücklich gemacht und ich selbst hab jetzt eine Flasche Wasser und eine Tüte mit köstlichen gerösteten und gesalzenen Nüssen. Die Sonne steht jetzt fast im Zenit und brennt auf die Straße hinunter. Es wird ungemütlich und in den Gassen komme ich mir immer verlorener vor. Ich beschließe zu unserem Treffpunkt zurückzukehren. Die Kleider kleben an meinem Körper. Eigentlich bin ich eine halbe Stunde zu früh dran, aber wie ich durch die Straße schlendere und versuche die Zeit totzuschlagen hält neben mir ein Wagen und Ali grinst mich durch das offene Fenster an. Verschmitzt sagte er, er sei ein wenig zu früh dran, aber es sei gerade nichts los. Dankbar lasse ich mich ins Taxi fallen. Ali dreht die Klimaanlage auf, lacht, „Full Power, only for your“ und bringt mich zurück ins Hotel.


(Originaltext von 2011)