So-froehlich photography

Discover the world

Sternenstaub

Es ist 22:00 Uhr als wir starten. Die Nacht ist tief an diesem Tag im März und der Himmel wolkenverhangen. Aber laut der Wettervorhersage ist es in dieser Woche einer der günstigen Tage, um Polarlichter zu sehen. Ein bisschen enttäuscht bin ich schon. Es war den ganzen Tag klar und sonnig erst gegen Abend hat es sich bewölkt. Wir steigen in den Wagen und machen uns auf den Weg ins Tal. Im Licht der Scheinwerfer sehe ich nichts außer dem weißen Band der schneebedeckten Straße und den grellen Suchscheinwerfern der vereinzelt entgegenkommenden Fahrzeuge. Elias hängt mit der Nase an seiner Seitenscheibe und murmelt etwas wie „ich sehe was, aber sie bewegen sich so schnell“. Ich lenke den Wagen in eine Parkbucht. Wir steigen aus. Und tatsächlich, über den Himmel ziehen, mit einiger Geschwindigkeit, grün graue Streifen. Die Nacht der Polarlichtjäger hat begonnen. Ich beschließe an eine Stelle zufahren, an der wir am Nachmittag schon einmal Pause gemacht haben. Es ist ein kleiner Parkplatz am Ufer des Inari-Sees, von dem aus man mit wenigen Schritten auf den zugefrorenen, schier endlosen See gelangt. Fünfzehn Minuten später ist es dann soweit. Bei -15°C stehen wir auf der weiten, weißen Eisfläche und recken die Köpfe in den Himmel. Über uns mäandern grau-grüne Bänder feinsten Sternenstaubs. Das Fotografieren wird zur Nebensache, bald höre ich ganz auf. Ich stehe da und sehe Drachen, Adler, Bären und Spiralen über den Himmel ziehen. Die Zeit steht still. Ich spüre die Gegenwart von Schamanen die vor Urzeiten über diesen See gezogen sind und versuchten aus dem Sternenstaub die Zukunft zu lesen. Man kann seinen Blick nicht mehr abwenden, wird hineingezogen in das himmlische Treiben und erkennt, wenn man Glück hat sich selbst. Elias mahnt mich zum Aufbruch. Trotz Daunenparka und Schneeboots wird es plötzlich empfindlich kalt. Noch heute sitze ich manche Sommernacht im Garten, schaue in den Himmel und sehne mich nach grün-grauen Bändern die die Geschichte der Welt erzählen.

Diese Reise war einfach zu fantastisch, als sie einfach mit einem profanen Finnland zu überschreiben. Es war die bewusste Entscheidung den Polarkreis zu überqueren, noch dazu im Winter. Wir erreichten Ivalo, den nördlichsten Linien Flughafen Europas nach 18 Stunden Flug. Das ist länger, als man gemeinhin nach Japan oder in die USA braucht. Und da Gefühl nach dieser Reisezeit das Flugzeug über eine Treppe in die eiskalte Nachtluft zu verlassen, um über ein Schneefeld die Abfertigungshalle zu erreichen ist unbeschreiblich. 

Tuk-Tuk

Das FamilienmopedKein Tuk-Tuk, hier aber eine duchaus übliche Art der Fortbewegung.
Kambodscha ist verschlafen. Es hat sich viel vom alten Indochina zwischen Tradition und Moderne, zwischen Kolonialstaat und Leistungsgesellschaft bewahrt. Kim, unser Guide sagt:“Vietnamesen arbeiten, Kambodschaner arbeiten und schlafen und die Menschen in Laos schlafen nur.“ Die Kambodschaner sind nett und sehr unaufdringlich. Man wird selten angesprochen und wenn, dann weil jemand sein Englisch ausprobieren möchte oder eben von einem Tuk-Tuk Fahrer, der einem seine Dienste anbieten möchte.

Für Kambodschaner liegt es außerhalb jeglichen Erfahrungshorizonts, dass Europäer gerne laufen könnten. Anscheinend ist das Bild einer modernen Gesellschaft eines, in dem sich jedes Individuum motorisiert fortbewegt oder es ist für sie der Ausdruck von Luxus. In der Hauptstadt Phnom Penh gibt dann auch so gut wie keine Fußgänger. Nicht, dass es keine Menschen auf den Straßen gäbe. Aber entweder sie stehen in Gruppen herum oder aber sie bewegen sich mit ihren Mopeds durch den dichten Verkehr. Die Gehsteige so vorhanden sind entweder zugeparkt oder dienen der Erweiterung der Geschäftsfläche. Oft muss man sich seinen Weg auf abenteuerliche Weise selbst durch den Verkehr bahnen.

Daher verwundert es eigentlich nicht, dass die Tuk-Tuk Fahrer einem verirrten Europäer an jeder Ecke ihre Hilfe anbieten wollen. Für einen Lacher sorgt dann auch immer der Hinweis „I have legs“ wobei man auf seine Füsse zeigt und grinst. Obwohl man auch auf die Idee kommen könnte, dass dieser Spruch ansichts der Landminenopfer in diesem Land eine Geschmacklosigkeit sein könnte. Die Fahrer jedenfalls lachen und ich muss gestehen, dass ich auf der Reise nur wenige Landminenopfer gesehen habe. Für den Fall, dass man nun doch im Tuk-Tuk zum Markt zum Einkaufen fährt, ist es üblich, dass der Fahrer auf einen wartet und somit auch die Rückfahrt für sich beansprucht. Aber keine Angst, das kostet nicht extra. Man handelt den Tarif immer vor der Fahrt aus. Das gilt auch für längere Ausflüge an etwas abgelegenere Strände oder so. Man hat den Strand für sich allein und der Fahrer wartet in seiner Hängematte, die er eigens dafür in seinem Fahrzeug anbringen kann.

Foot Hunting

Markthändler in BattambangAuf dem Markt in Battambang gibt es alle Möglichen und Unmöglichen Dinge.
Sieht man einmal von den gegrillten Insekten, Fröschen, Schlangen und anderem Getier ab, ist die kambodschanische Küche wenig aufregend. Anders als beispielsweise in China, ist das Essen von Insekten und Kleintieren hauptsächlich dem Krieg geschuldet. Man musste essen was vorhanden war. Früchte und Gemüse wachsen fast überall. Um jedoch an eiweißreiche Nahrung zu kommen durfte man nicht wählerisch sein und so wurde eben alles gegessen, was nicht bei drei auf den Bäumen war. Reis war, trotz guter Ernten, unter Pol Pot sehr knapp, da er gegen Devisen und Waffen exportiert wurde. Die Gerichte sind, wenn nicht europäisch, so am ehesten indisch inspiriert. Allerdings sehr viel weniger scharf.

Neben Reis werden hauptsächlich Nudeln verkocht. Man findet aber durchaus auch Kartoffeln in den Currys. Die Mahlzeiten werden hier immer frisch zubereitet. Und da die Khmer mit ihrem Essen sehr eigen sind, isst man dort wo die Einheimischen essen, auch besonders gut. In Kambodscha wird zeitig zu Abend gegessen. Geht man erst gegen 19:00 Uhr Essen, passiert es einem schon mal, dass man der letzte Gast ist und das Personal gelangweilt auf die Uhr schauend auf den Feierabend wartet. Gerichte, die man wirklich überall ohne böse Überraschungen essen kann, sind gebratener Reis (fried rice) und gebratene Nudeln (fried noodles). Reis oder Nudeln werden mit verschiedenen Gemüsen in der Pfanne gebraten und auf Wunsch mit Rind-, Schweine- oder Hühnerfleisch serviert. Die Gerichte werden von Küche zu Küche unterschiedlich gewürzt und schmecken überall anders. Allerdings nie so, dass man sagen konnte es schmecke nun gar nicht. Aber natürlich gab es auch hier Favoriten. Bestellt man die Gerichte mit Fleisch, so ist man mit Rind immer gut bedient. Huhn oder Schwein sind oft knorpelig und manchmal ist auf dem Hühnerfleisch noch Haut.

Die Currys sind, wie schon gesagt, mild und schmecken wie zu Hause. Es sind allesamt grüne Currys, die mit Limette oder Lemongras verfeinert wurden, so auch das traditionelle Amok-Curry. In manchen Restaurants bekommt man das Curry auch in einer grünen Kokosnuss serviert. Und wenn ein Mitreisender dann fragt: “Weißt du wie das aussieht?!“ kann man getrost sagen: “Ja, ich habe Indianer Jones im Tempel des Todes auch gesehen!“ Und wenn man den Deckel der Kokosnuss abnimmt fühlt man sich tatsächlich an das Affenhirn auf Eis erinnert. Die Affen im Königspalast in Phnom Penh sollen übrigens von einer Gruppe abstammen, die von chinesischen Tierhändlern illegal nach China zum Verzehr exportiert wurden, bis die kambodschanische Polizei die Gesellschaft auffliegen ließ. Die Affen entkamen und leben seither im Park des Königs.

Eine bei Kambodschanern sehr beliebte Art zu speisen, ist das Khmer-Barbecue. Für 5$ gibt es all-you-can-eat, Getränke exklusive. An dieser Stelle darf nicht vergessen werden, dass 5$ für einen Kambodschaner mit einem Durchschnittseinkommen von 60$ im Monat schon ein recht großer Betrag ist. Auf jedem der Tische steht nun ein Gaskocher mit einem speziellen Aufsatz, der aussieht wie eine von innen aufgewölbte Schüssel mit einem tiefen Rand. In den Rand wird warmes Wasser gegeben und auf die gelochte Wölbung etwas festes Fett. Nach Belieben kann man sich nun am Büffet eingelegtes Fleisch, Fisch, Nudeln, Reis, Soßen und Gemüse holen. Das Büffet ist ca. 10m lang und läßt kulinarisch nichts zu wünschen übrig. Die feinen Fleisch- oder Fischstreifen wurden nun auf die Wölbung zu grillen gelegt. In dem wassergefüllten Rand gart man gleichzeitig Nudeln, Gemüse oder Krabben. Vergleichbar ist das Ganze bei uns mit einem Fondue oder Raclette. Auf jeden Fall macht es sehr viel Spaß, zu erraten, was für ein Fleisch in der Marinade eingelegt war. Und klar, ich hab mir natürlich auch so einen Grillaufsatz für den heimischen Gaskocher mitgenommen. Der Sommer kann also kommen.

Für eines sind sowohl Kambodscha als auch Vietnam aber noch bekannt. Nämlich für die Soße aus vergorenem Fisch. Auch wenn ich den gegrillten Frosch abgelehnt habe, die Fischsoße wollte ich nun auf keinen Fall verpassen. Ich habe also Tatsächlich meinen guten Vorsatz über Bord geworfen auf Fernreisen Rohkost zu meiden und mich mit einem Salat aus Wasserhyazinthen und grüner Papaya angefreundet, der mit Fischsoße und Chilly ein scharfes Dressing bekam. Passend dazu gab es Ankor Beer. Und ich muss sagen, der Geschmack des Salates verändert sich tatsächlich wenn man Bier dazu trinkt, auch wenn es noch etwas früh am Tag war. Ein paar Tage später hatte ich dann noch einmal das Vergnügen die Fischsoße pur zu genießen. Es war der Abend, an dem wir in Prasat einem kleinen Dorf an einem Fluß übernachteten. Wir wurden von einer einheimischen Familie bekocht und es gab frischen Schlangenkopffisch mit grünem Papayasalat und Reis. Dazu konnte ich dann die Fischsoße nocheinmal pur genießen. Die Soße schmeckt im Großen und Ganzen sehr salzig und Ist mit dicker brauner Sojasoße vergleichbar.

Bereut habe ich den Entschluß auf dieser Reise nun doch Rohkost zu essen aber letztendlich doch noch. In einem piksauberen adretten Restaurant habe ich ein kleines Stück Limettenschale erwischt und 36 Stunden mit Durchfall und Fieber verbracht. In dieser Zeit habe ich auch die einzigen Worte Khmer auf dieser Reise gelernt. Ich stand in der Hotellobby und habe versucht auf English um ein paar weitere Rollen Toilettenpapier zu bitten. Allerdings schien mich keiner zu vestehen. Erst als ich dann in etwas lauter die Worte „Khgnom riak“ rief, hielt der Portier inne und lief rot an, während die Zimmermädchen anfingen zu grinsen. Meinem Wunsch sehr schnell entsprochen ebenso wie meinem Wunsch nach einer Portion Reis und Bananen, ein paar Tassen süßer Instant-Milchkaffee taten dann ein Übriges um mich am nächsten Tag wieder auf die Beine zu bringen.

Monsun

Die Entscheidung während des Monsuns nach Kambodscha zu reisen fiel eher zufällig. Ich wollte zu einer Zeit reisen, in der der Tonle Sap (khmer: Großer See) genug Wasser führt um die schwimmenden Dörfer zu besuchen. Und ich wollte Kambodscha in grün sehen und nicht in trockenen fahlen Brauntönen. Es lag also nahe gegen Ende des Monsuns zu fahren, wenn die Trockenzeit noch nicht von der Landschaft Besitz ergriffen hätte. An diesem Punkt habe ich dann schlichtweg um einen Monat vertan. Ich komme also Anfang Oktober, dem Hauptregenmonat in Phnom Penh an. Als ich den Flughafen verlasse, schlägt mir Luft mit einer Temperatur von 30°C und einer Luftfeuchtigkeit von 80% entgegen. Innerhalb von Minuten klebt mein Hemd an meinem Körper. Jede Bewegung wird zur Anstrengung. Sogar das Atmen fällt mir schwer. Nach der trockenen, klimatisierten Luft im Flughafen ist es als würde einem die Energie abgesaugt werden. Das Jetlag nach der langen Reisezeit tut ein Übriges. Wie bei jeder Reise frage ich mich an dieser Stelle, ob das wirklich eine so gute Idee war hierher zu kommen. Fast im selben Moment kommt mir die Antwort in den Sinn: “Eindeutig, ja!!!“

Es regnet insgesamt nicht so viel wie ich angenommen hatte. Außerdem ist es ein Mythos, dass es im Monsun nur am Nachmittag regnet. Letztendlich kommt es immer darauf an wann uns die Ausläufer der Tropenstürme aus Thailand treffen. Der Monsun ist unberechenbar und die Regenjacke mein ständiger Begleiter. Mal regnet es mehr, mal weniger. Aber immer ist der Spuk nach ein paar Stunden vorbei und man wird mit einem spektakulären Monsunhimmel mit hohen Kumuluswolken belohnt. Mit der Zeit gewöhnt man sich an diesen Rhythmus. Man lernt die Klimaanlage im Zimmer richtig ein zustellen und trocknet seine Kleidung zwischen den aufgeheizten Thermofenstern und den gelben Vorhängen. Der Monsun ist anders als europäischer Regen. Bei uns zu Hause ist der Regen meist kalt und man fängt in seiner nassen Kleidung zwangsläufig an zu frieren. Der Monsun hingegen ist warm. Es ist also eher so, als würde man angezogen duschen. Die Nässe durchdringt mit der Zeit alles, sich daran zu gewöhnen fällt schon deutlich schwerer. Man ist eigentlich immer nass, entweder weil man schwitzt oder weil es regnet. Das schwülwarme Klima zwingt mich einen Gang herunter zu schalten. Es zwingt einen sich auch mal treiben zu lassen. Oft hat Kim unser Guide morgens gefragt:“Und, keine Energie heute?“ Es dauert immer einige Zeit bis man aus dem klimatisierten Zimmer in der wahren Welt von 80% Luftfeuchtigkeit ankommt. Auch die Nacht bringt keine Abkühlung. Wir haben den Regen auf der Reise meinst als feinen Nieselregen erlebt.

Es geht aber auch anders. In Battambang fragt uns Kim abends ob wir mit ihm zum Essen fahren wollen. Der Regen tost draußen. Unser Fahrer fährt uns mit dem Kleinbus quasi bis in das Restaurant hinein. Das Personal ist darauf vorbereitet und empfängt uns mit großen Regenschirmen und geleitet uns die zwei Meter von der offenen Wagentür bis in Innere. Es ist ein Khmer-Restaurant. Man spricht hier kein Englisch und Kim übersetzt uns die Speisekarte. Das Essen ist prima und nach und nach hört auch der Regen auf. Statt Kims Vorschlag, uns ins Hotel zurück zufahren, zu folgen entscheiden wir uns den kurzen Weg zum Hotel zu Fuß zurück zulegen. Es ist feucht und warm und es macht Spaß durch die Nacht zu laufen. Die Straßen sind dunkler als zu Hause. Die Lichter der Geschäfte die noch offen haben spiegeln sich im Asphalt. An der nächsten Kreuzung ist der Spaß jedoch erst mal vorbei. Auf der Straße steht etwa knietief das Wasser. Die Kanalisation scheint überfordert. Die Kinder haben ihren Spaß mit dem nächtlichen Bad. Mir ist es jedoch zu gefährlich Schuhe und Strümpfe auszuziehen und durch die braune Brühe zu waten. Wir drehen um und versuchen es ein paar Straßen weiter noch einmal. Vergeblich. Das gleiche Bild. Es bleibt uns nichts anderes übrig, als uns ein Tuc-Tuc zu suchen und zum Hotel zu fahren. Doch selbst der Tuc-Tuc Fahrer muss einige Umwege fahren um uns halbwegs trocken am Hotel abzuliefern. Die Gassen werden immer enger und dunkler, so dass wir uns langsam fragen, wo man hier wohl die Leichen der ausgeraubten Touristen entsorgt. Vielleicht verstopfen sie die Kanalisation? Aber die Frage ist unbegründet. Einige hundert Meter weiter wird es wieder heller und Hotel taucht vor uns auf.

Kairo

Es ist 2 Uhr nachts als wir starten. Der Bus in dem wir sitzen ist eng. Aber schließlich gelingt es allen eine Position einzunehmen in der es sich halbwegs schlafen läßt. Ich kann noch nicht schlafen. Wir sind ja auch früh ins Bett gegangen um auf dem Ausflug nicht allzu erschlagen zu sein. Zu Hause würde es mir nie einfallen einen Tagesausflug von 900 Km zu machen. Es ist dunkel draussen. Ich sehe nur die Lichter der Ölfelder und das Lodern der Gasflammen der Petrofeuer am Horizont. Gegen 4 Uhr wird es hell. Über dem Meer bildet sich eine hellblaue Sphäre, welche die Dunkelheit zu Boden drückt. Eine Stunde später steigt dann die Sonne auf. Der Anblick der Landschaft ist ernüchternd. Um uns herum nichts als Wüste. Aber irgendwie wirkt auch alles künstlich, als es von Menschenhand erschaffen worden. Eben so wie eine Braunkohle Abraumhalde. Das Geröll ist durchzogen von Fahrzeugspuren. Aus dem Dunst schält sich ein Windpark heraus. Oder besser gesagt ein Windfabrik. Hunderte von Windkraftanlagen stehen hier in Reih- und Glied, wie ein Armee von Generatoren. Don Quixote hätte seine wahre Freude gehabt. Ansonsten reiht sich im Golf von Suez eine Baustelle an die nächste. Doch nirgendwo wird gebaut. Alles scheint in einem Dornröschenschlaf zu liegen. Die Hotels alle geschlossen. Später erfahre ich, von unserem Guide, dass die Auslastung der Hotels hier am roten Meer derzeit maximal bei 20% liegt. Wenn aber immer wieder der Eindruck entsteht, dass die Hotel doch gut gebucht sind, liegt das daran, dass die großen Hotelketten einfach einen Teil ihrer Hotels schließen und alles auf ein Haus konzentrieren um wenigsten dort die Arbeitsplätze zu erhalten. Es ist kurz nach 8 als wir Kairo erreichen. 25 Millionen Menschen leben hier. 96 % der Fläche Ägyptens sind Wüste. Auf der restlichen Fläche, die ungefähr der Größe von Baden-Württemberg entspricht und die fast auschließlich an den Ufern des Nils liegt leben rund 85 Millionen Menschen. Wir durchqueren Kairo auf einer Hochstraße. Links und rechts stehen Hochhäuser. Schmale schmutzig graue Bauten, die acht bis zehn Stockwerke hoch sind. Dieses Viertel sieht aus wie aus einem Alptraum. An den Aussenwänden der Häuser kleben dutzende Satelitenschüsseln und Klimaanlagen. Die Fenster sind blind. Über allem liegt eine graue Sandschicht, Menschen sind nicht zu sehen. Später werden die Häuser kleiner. Auf vielen Gebäuden ragen halbfertige Stockwerke mit offenliegenden Armiereisen in den Himmel. Von unserem Guide erfahre ich, dass man in Ägypten keinen Wert auf Äusserlichkeiten legt. Die Hochhäuser an denen wir vorbei gefahren sind auch nicht etwar Wohnsilos aus dem sozialen Wohnungsbau, sondern gehören schon zu den teureren Immobilien. Innen sind sie oft eingerichtet wie Paläste. Und auch für die vielen unfertigen Häuser gibt es eine Erklärung. Man baut hier immer soweit wie das Geld reicht. Ist es aufgebraucht, bleibt der Bau solange liegen, bis wieder welches vorhanden ist. Direkt hinter dem Wohngebiet liegen die Pyramieden. Sie sehen nett aus sind aber energetisch eine Katastrophe. Thats it!

Das eigentliche Heiligtum betreten wir dann wenig später in Form einer Pafümerie oder besser ausgedrückt einer Parfümmanufaktur. Es ist ein holzgetäfelter Laden, dessen Wände mit Spiegeln und Glasregalen überzogen ist. Auf den Regalen stehen hunderte Flaschen und Flakons unterschiedlicher größe mit verschieden farbigen Flüssigkeiten. Ich bin diesmal nicht skeptisch. Ich kenne das aus Indien, man besucht einen Betrieb, wird bewirtet, bekommt einen Einblick in Fertigungstechniken und Kunsthandwerk und kann sich danach entscheiden ob man etwas kaufen möchte oder nicht. So lehne ich mich auch entspannt zurück, als der Inhaber der Manufaktur Scheich Abdulla den Raum betritt. Es wird Tee und Mocca gereicht und der Scheich beginnt zu erzählen. Meinen Kopf durchzuckt ein Dejavu und ich sitze wieder im Jain-Tempel in Ranakpur. Das Om hallt in meinem Kopf. Dann ist es wieder vorbei. Die Ähnlichkeit mit dem Mönch, der damals in Ranakpur für uns gebetet hat ist verblüffend. Auch seine Stimme ist dunkel und warm und erfüllt den ganzen Raum. Ich nehme noch ein Schluck von meinem Mocca. An dieser Stelle sei erwähnt, dass man Mocca nie ganz austrinken sollte, weil man ansonsten den ganzen Kaffeesatz im Mund hat. Man lernt eben nie aus. Ich erfahre, dass es weltweit nur etwa 1100 Pafüms gibt, 750 Frauendüfte und 350 für Männer. Es sei schon so, erklärt der Scheich, dass die hochwertigsten Lavendelessenzen aus Frankreich kommen und besten Rosen und Sandelholzessenzen aus Indien. Aber es kommen auch sehr viele der teuersten Duftstoffe aus Ägypten. Und so stellt er, wie noch zwei weitere Familien in Ägypten, die Grundstoffe für die Parfümindustrie her. Die Essenzen die es hier in dem Laden gibt sind reine Öle, die noch nicht mit Alkohol verdünnt sind. Hier gibt es alles an Düften was man sich vorstellen kann. Von reinem frischen Papyrus, dass ich aus meinem Duschgel kenne bis hin zu alten Lagerfelddüften die nicht mehr hergestellt werden. Dieser Laden ist eine wirkliche Offenbarung. Ich schwelge noch so in den Düften, als unser Guide zu Aufbruch drängt. Draussn schlägt mir die Hitze entgegen. Es ist Mittag. Zeit etwas zu essen. Das Restaurant das wir besuchen ist auch von Einheimischen gut frequentiert. Es gibt Büffet. Eine reichhaltige Auswahl an äyptischer und europäischer Küche. Danach bin ich ganz froh, dass der Buss sich nur langsam durch den Verkehr quälen kann. Auf dem Weg zum äyptischen Museum döse ich vor mich hin und lausche was unser Guide noch alles erzählt. Die Kinder gehen in hier fast alle zur Schule. Allerdings zahlt man pro Kind selbst in der Staatschule etwar einen Monatslohn pro Jahr an Schulgeld. Und das bei einer durchschnittlichen Klassenstärke von 80 Schülern. Um zu erfassen, wie viel oder wenig Geld hier jemand zur Verfügung hat, kann man ganz grob rechnen, das man hier für ein Pfund ungefähr das bekommt für was man bei uns zu Hause einen Euro zahlt. Allerdings sind die Einkommen entsprechend niedriger. Grundnahrungmittel sind dann auch (noch) relativ günstig, Importwaren wie Autos für den Normalbürger unerschwinglich. Und so verwundert einen auch nicht die Unzufriedenheit der äyptischen Bevölkerung mit dem Mubarakregime, dass Milliarden an Euro in die eigene Tasche gesteckt hat. „Wir Ägypter waren schon immer ein friedliches Volk. Wir wollen nur leben und ein bisschen Wohlstand. Deswegen war auch die Revoltution so friedlich.“ Wir fahren über eine Hochstraße unter uns in den Straßen wimmelt es von Menschen. Hier unter den Viadukten sind die Märkte. „ Es ist noch nicht viel los jetzt! Wenn die Sonne untergegangen wir hier richtig voll und lebhaft“, lacht unser Guide. „Die Menschen hier haben nich so viel Geld. Aber sie leisten es sich doch einmal im Monat essen zu gehen. MC Donald und KFC stehen bei den Ägyptern hoch im Kurs, jedenfalls mehr als traditionelle Küche.“ Der Bus kämpft sich durch den Verkehr über einen breiten Boulevard (Pyramidenstrasse). Links und rechts sieht man weiße Sammeltaxis. Alte VW Busse vom Typ T1, hunderte gibt es hier noch. Alle mit offener Motorklappe um den luftgekühlten Boxermotor nicht zu überhitzen. Dann sind wir am Ägyptischen Museum. Neben dem Museum steht die ausgebrannte Parteizentrale Mubaraks. Sie gemahnt einen an die Unruhen, die hier noch vor ein paar Monaten gewütet haben. Und an die Toten die es gegeben hat. Es ist heiß.

Wir betreten das Museum. Die Luft ist schwül und angefüllt vom Geruch alter Dinge. Schon wenn man die Eingangshalle betritt bemerkt man die Präsenz der Pharaonen. Jahrtausende nach ihrem Tod. Dieser Ort ist heilig. Eine eigenartige Energie herrscht hier. Die Spiritualität eines Friedhofes, die mit an den Pyramieden gefehlt hat, hier finde ich sie. Das Museum selbst gleich eher einem Antiquitätenladen. Die Vitrienen, Schlößer, Plomben aus den 30er Jahren des vorherigen Jahrhunderts. Zwischen den Austellungsräumen immer wieder vergitterte Türe, die in die schier unerschöpflichen Magazine führen. 3000 Jahre Kultur auf ein paar Quadratmetern. Die Luft so schwer, dass man kaum atmen kann. Echnaton der einen zur Ehrfurcht zwingt. Tut Ench Amun der einem seine Schätze darbietet. Die Pharaonen sind umgezogen und dieser Ort ist jetzt heilig. Energie die man spüren. Im Tot perfekt konserviert, erstehen sie hier auf. Die Atmosphäre betäubt mich. Es wird Zeit, dass ich wieder an die frische Luft komme. Als ich wieder im Buss sitze fühle ich mich erschlagen. In einem älteren Viertel Kairos schlängeln wir uns, an den Ufern des Nils entlang, durch den Stau . Kairo ist gar nicht so chaotisch wie uns unser Guide glauben machen will, hier an den Ufern des Nils könnte man sich glatt an den Ufern Seine wähnen. Und so fällt mir auch gleich die Verwandschaft mit Paris ins Auge. Die alten sandfarbenen Wohnhäuser aus der Gründerzeit, die Boulevards, die Ausflugsschiffe auf dem Nil. Ich denke mir, dass ich noch einmal hierher kommen möchte, dann aber für länger.

(Originaltext von 2011)