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Pushkar

Der Kamelmarkt von Pushkar, Indien 2010
Regen. Wir fahren von Udaipur aus Richtung Pushkar. Die Straßen sind nass und die Straßenränder beginnen sich aufzulösen. Aber die Menschen die die uns sehen winken uns unerschütterlich zu. Schließlich bringen wir Regen mit. Langersehnt. Pushkar. Darauf habe ich gewartet. Das Pushkarfest ist ein großer Jahrmarkt. Auch wenn Inder es nicht recht glauben wollte es ähnelt ein wenig dem Ostermarkt bei uns im Dorf. Ein religiöses Fest, an dem man seine Sünden loswerden kann gepaart mit einem Viehmarkt und natürlich mit Ständen an denen man alles kaufen kann, was man das Jahr über in dieser entlegenen Gegend entbehren muss. Die Stadt Pushkar liegt in einer großen sandigen Ebene. Platz genug also für Hunderttausende Pilger, Viehhändler und Touristen. Am Rande der Ebene liegen große Zeltstädte um die vielen Besucher aufzunehmen. Zweireihig gegenüber aufgestellt wirken die Zeltlager wie ein Feldlager der britischen Armee im vorherigen Jahrhundert. Und genau so sind die Zelte auch eingerichtet. Ihre Grundfläche misst ungefähr 3m x 8m mit einem kleinen Vordach in dessen Schatten man sitzen kann. Öffnet man das Zelt so findet sich im Innern ein äußerst bequemes Bett, zwei hölzerne Klappstühle, ein Tisch, ein Regal und im hinteren Teil durch ein Plane abgetrennt, ein komplettes Badezimmer. Als meine Füße den weichen Teppich berühren muss ich unwillkürlich wieder an Lawrence von Arabien denken. Es ist ein Traum genauso wie die Pavillons die die weiß gedeckten Tische, an denen wir essen, vor Regen schützen.

Noch surrealer wird die Szenerie am nächsten Morgen als ich bei Sonnenaufgang das Zelt verlasse. Am Himmel tummeln sich gut ein Dutzend Heißluftballons. Es ist der Morgen an dem wir zu den Ghats gehen. Die Ghats sind Zugänge zum See, an denen man neben dem Waschen auch beten kann oder seine Wünsche in materieller Form in den See abgeben kann. Dafür winken einem dann die Vergebung aller Sünden. Den Spöttern unter euch, die auf Idee gekommen sind, der See müsste ja irgendwann voll Gerümpel sein, sei gesagt, dass er erst vor 2 Jahren grundgereinigt wurde. Wir sitzen also auf den Stufen der Ghats. Ein Brahmane beginnt mit uns zu beten. Von überall her dringen Mantras zu mir. Und obwohl heute morgen nur wenige Pilger zugegen sind spüre ich die Heiligkeit dieses Ortes. Das hier ist pure Energie. Und längst nicht jeder meiner Mitreisenden kann damit Umgehen. Alles wird eins. Der Kreis schließt sich. Wir geben unsere guten Wünsche zusammen mit den Rosenblättern in das Wasser. Auf dass sie in Erfüllung gehen. Dieses Gefühl klingt noch lange in mir nach. Eine kleine Ahnung auf das Nirwana zu bekommen. Ich bin glücklich!

In meinem Glücklichsein lasse ich mich am Nachmittag dazu hinreißen, Inder zu überreden mit einem Teil der Gruppe zu einem der Tempel auf den Kegelbergen, die das Tal flankieren aufzusteigen. Ja, ich wusste, dass Inder ansonsten Gruppen im Himalaya führt. Unsere Zeitvorgabe für den Aufstieg war rund eine Stunde, um pünktlich zum Abendessen wieder im Camp zu sein. Von unten sieht das Ganze nicht so schlimm aus. Eine Treppe führt bis hoch an den Tempel. Und eine ganze Reihe von Menschen sind mit dem Auf- und Abstieg beschäftigt. Es sollte also auch für mich kein großes Problem sein. Als ich schließlich bei den Stufen ankommen stelle ich fest, dass es sich um mehr oder weniger stark behauene Steinstufen handelt, die mit einem normalen europäischen Treppenmaß nichts gemein haben. Die Stufenhöhe beträgt 50 bis 60 cm und man muss ständig nach einem sicheren Tritt Ausschau halten. Ich finde auf diesen Stufen keinen Rhythmus. Immer wieder muss man gucken, dass man einen festen Tritt findet und nicht abrutscht. Außerdem lasse ich es zu schnell angehen. Das rächt sich schließlich auf den letzen 50 Höhenmetern. Mit hochrotem Kopf lasse ich mich auf die Stufe fallen auf der ich gerade stehe. „Lasst mich einfach hier“ sage ich den Nachfolgenden, die mich besorgt an-schauen. „Ich komme nachher einfach wieder mit euch hinunter“. Ich gebe auf. Ich sitze still auf meiner Stufe und schaue über die Ebene. Die Stadt und der See sind winzig klein. Die weißen Häuser leuchten in der Nachmittagssonne. Ich bin zufrieden, auch wenn ich es nicht bis auf den Gipfel geschafft habe. Mein Atem wird ruhiger und siehe da, es geht wieder. Langsam mache ich mich auf um den restlichen Weg zu bewältigen. Dann stehe ich vor dem Tempel. Und wieder habe ich etwas gelernt. Manchmal muss man eben kurz vor dem Ziel aufgeben um es dann doch noch zu erreichen. Der Reiseführer gibt die Höhe des Berges mit 1100m an. Die Ebene von Pushkar liegt auf rund 500m. 600 Höhenmeter in einer Stunde sind eben doch kein Pappenstiel.

Am nächsten Morgen verlassen wir Pushkar. Zumindest versuchen wir es. An einer besonders engen Stelle des Dorfes kommt uns ein Reisebus mit Pilgern entgegen. Beide Fahrer zirkeln ihre Busse hin und her. Als sie die Fahrzeuge soweit haben, dass sie mit einigen Zentimetern Abstand aneinander vorbei fahren können ertönt in beiden Bussen Jubel. Die Pilger als auch wir haben unsere offenen Handflächen zum Gruß an die Scheiben gedrückt. Dort wo die Scheiben offen sind gibt man sich die Hand oder klatscht sich ab. Wir erkennen, dass wir alle tatsächlich den gleichen Planeten bewohnen. Das ist Pushkar.

(Originaltext von 2010)