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Kairo

Es ist 2 Uhr nachts als wir starten. Der Bus in dem wir sitzen ist eng. Aber schließlich gelingt es allen eine Position einzunehmen in der es sich halbwegs schlafen läßt. Ich kann noch nicht schlafen. Wir sind ja auch früh ins Bett gegangen um auf dem Ausflug nicht allzu erschlagen zu sein. Zu Hause würde es mir nie einfallen einen Tagesausflug von 900 Km zu machen. Es ist dunkel draussen. Ich sehe nur die Lichter der Ölfelder und das Lodern der Gasflammen der Petrofeuer am Horizont. Gegen 4 Uhr wird es hell. Über dem Meer bildet sich eine hellblaue Sphäre, welche die Dunkelheit zu Boden drückt. Eine Stunde später steigt dann die Sonne auf. Der Anblick der Landschaft ist ernüchternd. Um uns herum nichts als Wüste. Aber irgendwie wirkt auch alles künstlich, als es von Menschenhand erschaffen worden. Eben so wie eine Braunkohle Abraumhalde. Das Geröll ist durchzogen von Fahrzeugspuren. Aus dem Dunst schält sich ein Windpark heraus. Oder besser gesagt ein Windfabrik. Hunderte von Windkraftanlagen stehen hier in Reih- und Glied, wie ein Armee von Generatoren. Don Quixote hätte seine wahre Freude gehabt. Ansonsten reiht sich im Golf von Suez eine Baustelle an die nächste. Doch nirgendwo wird gebaut. Alles scheint in einem Dornröschenschlaf zu liegen. Die Hotels alle geschlossen. Später erfahre ich, von unserem Guide, dass die Auslastung der Hotels hier am roten Meer derzeit maximal bei 20% liegt. Wenn aber immer wieder der Eindruck entsteht, dass die Hotel doch gut gebucht sind, liegt das daran, dass die großen Hotelketten einfach einen Teil ihrer Hotels schließen und alles auf ein Haus konzentrieren um wenigsten dort die Arbeitsplätze zu erhalten. Es ist kurz nach 8 als wir Kairo erreichen. 25 Millionen Menschen leben hier. 96 % der Fläche Ägyptens sind Wüste. Auf der restlichen Fläche, die ungefähr der Größe von Baden-Württemberg entspricht und die fast auschließlich an den Ufern des Nils liegt leben rund 85 Millionen Menschen. Wir durchqueren Kairo auf einer Hochstraße. Links und rechts stehen Hochhäuser. Schmale schmutzig graue Bauten, die acht bis zehn Stockwerke hoch sind. Dieses Viertel sieht aus wie aus einem Alptraum. An den Aussenwänden der Häuser kleben dutzende Satelitenschüsseln und Klimaanlagen. Die Fenster sind blind. Über allem liegt eine graue Sandschicht, Menschen sind nicht zu sehen. Später werden die Häuser kleiner. Auf vielen Gebäuden ragen halbfertige Stockwerke mit offenliegenden Armiereisen in den Himmel. Von unserem Guide erfahre ich, dass man in Ägypten keinen Wert auf Äusserlichkeiten legt. Die Hochhäuser an denen wir vorbei gefahren sind auch nicht etwar Wohnsilos aus dem sozialen Wohnungsbau, sondern gehören schon zu den teureren Immobilien. Innen sind sie oft eingerichtet wie Paläste. Und auch für die vielen unfertigen Häuser gibt es eine Erklärung. Man baut hier immer soweit wie das Geld reicht. Ist es aufgebraucht, bleibt der Bau solange liegen, bis wieder welches vorhanden ist. Direkt hinter dem Wohngebiet liegen die Pyramieden. Sie sehen nett aus sind aber energetisch eine Katastrophe. Thats it!

Das eigentliche Heiligtum betreten wir dann wenig später in Form einer Pafümerie oder besser ausgedrückt einer Parfümmanufaktur. Es ist ein holzgetäfelter Laden, dessen Wände mit Spiegeln und Glasregalen überzogen ist. Auf den Regalen stehen hunderte Flaschen und Flakons unterschiedlicher größe mit verschieden farbigen Flüssigkeiten. Ich bin diesmal nicht skeptisch. Ich kenne das aus Indien, man besucht einen Betrieb, wird bewirtet, bekommt einen Einblick in Fertigungstechniken und Kunsthandwerk und kann sich danach entscheiden ob man etwas kaufen möchte oder nicht. So lehne ich mich auch entspannt zurück, als der Inhaber der Manufaktur Scheich Abdulla den Raum betritt. Es wird Tee und Mocca gereicht und der Scheich beginnt zu erzählen. Meinen Kopf durchzuckt ein Dejavu und ich sitze wieder im Jain-Tempel in Ranakpur. Das Om hallt in meinem Kopf. Dann ist es wieder vorbei. Die Ähnlichkeit mit dem Mönch, der damals in Ranakpur für uns gebetet hat ist verblüffend. Auch seine Stimme ist dunkel und warm und erfüllt den ganzen Raum. Ich nehme noch ein Schluck von meinem Mocca. An dieser Stelle sei erwähnt, dass man Mocca nie ganz austrinken sollte, weil man ansonsten den ganzen Kaffeesatz im Mund hat. Man lernt eben nie aus. Ich erfahre, dass es weltweit nur etwa 1100 Pafüms gibt, 750 Frauendüfte und 350 für Männer. Es sei schon so, erklärt der Scheich, dass die hochwertigsten Lavendelessenzen aus Frankreich kommen und besten Rosen und Sandelholzessenzen aus Indien. Aber es kommen auch sehr viele der teuersten Duftstoffe aus Ägypten. Und so stellt er, wie noch zwei weitere Familien in Ägypten, die Grundstoffe für die Parfümindustrie her. Die Essenzen die es hier in dem Laden gibt sind reine Öle, die noch nicht mit Alkohol verdünnt sind. Hier gibt es alles an Düften was man sich vorstellen kann. Von reinem frischen Papyrus, dass ich aus meinem Duschgel kenne bis hin zu alten Lagerfelddüften die nicht mehr hergestellt werden. Dieser Laden ist eine wirkliche Offenbarung. Ich schwelge noch so in den Düften, als unser Guide zu Aufbruch drängt. Draussn schlägt mir die Hitze entgegen. Es ist Mittag. Zeit etwas zu essen. Das Restaurant das wir besuchen ist auch von Einheimischen gut frequentiert. Es gibt Büffet. Eine reichhaltige Auswahl an äyptischer und europäischer Küche. Danach bin ich ganz froh, dass der Buss sich nur langsam durch den Verkehr quälen kann. Auf dem Weg zum äyptischen Museum döse ich vor mich hin und lausche was unser Guide noch alles erzählt. Die Kinder gehen in hier fast alle zur Schule. Allerdings zahlt man pro Kind selbst in der Staatschule etwar einen Monatslohn pro Jahr an Schulgeld. Und das bei einer durchschnittlichen Klassenstärke von 80 Schülern. Um zu erfassen, wie viel oder wenig Geld hier jemand zur Verfügung hat, kann man ganz grob rechnen, das man hier für ein Pfund ungefähr das bekommt für was man bei uns zu Hause einen Euro zahlt. Allerdings sind die Einkommen entsprechend niedriger. Grundnahrungmittel sind dann auch (noch) relativ günstig, Importwaren wie Autos für den Normalbürger unerschwinglich. Und so verwundert einen auch nicht die Unzufriedenheit der äyptischen Bevölkerung mit dem Mubarakregime, dass Milliarden an Euro in die eigene Tasche gesteckt hat. „Wir Ägypter waren schon immer ein friedliches Volk. Wir wollen nur leben und ein bisschen Wohlstand. Deswegen war auch die Revoltution so friedlich.“ Wir fahren über eine Hochstraße unter uns in den Straßen wimmelt es von Menschen. Hier unter den Viadukten sind die Märkte. „ Es ist noch nicht viel los jetzt! Wenn die Sonne untergegangen wir hier richtig voll und lebhaft“, lacht unser Guide. „Die Menschen hier haben nich so viel Geld. Aber sie leisten es sich doch einmal im Monat essen zu gehen. MC Donald und KFC stehen bei den Ägyptern hoch im Kurs, jedenfalls mehr als traditionelle Küche.“ Der Bus kämpft sich durch den Verkehr über einen breiten Boulevard (Pyramidenstrasse). Links und rechts sieht man weiße Sammeltaxis. Alte VW Busse vom Typ T1, hunderte gibt es hier noch. Alle mit offener Motorklappe um den luftgekühlten Boxermotor nicht zu überhitzen. Dann sind wir am Ägyptischen Museum. Neben dem Museum steht die ausgebrannte Parteizentrale Mubaraks. Sie gemahnt einen an die Unruhen, die hier noch vor ein paar Monaten gewütet haben. Und an die Toten die es gegeben hat. Es ist heiß.

Wir betreten das Museum. Die Luft ist schwül und angefüllt vom Geruch alter Dinge. Schon wenn man die Eingangshalle betritt bemerkt man die Präsenz der Pharaonen. Jahrtausende nach ihrem Tod. Dieser Ort ist heilig. Eine eigenartige Energie herrscht hier. Die Spiritualität eines Friedhofes, die mit an den Pyramieden gefehlt hat, hier finde ich sie. Das Museum selbst gleich eher einem Antiquitätenladen. Die Vitrienen, Schlößer, Plomben aus den 30er Jahren des vorherigen Jahrhunderts. Zwischen den Austellungsräumen immer wieder vergitterte Türe, die in die schier unerschöpflichen Magazine führen. 3000 Jahre Kultur auf ein paar Quadratmetern. Die Luft so schwer, dass man kaum atmen kann. Echnaton der einen zur Ehrfurcht zwingt. Tut Ench Amun der einem seine Schätze darbietet. Die Pharaonen sind umgezogen und dieser Ort ist jetzt heilig. Energie die man spüren. Im Tot perfekt konserviert, erstehen sie hier auf. Die Atmosphäre betäubt mich. Es wird Zeit, dass ich wieder an die frische Luft komme. Als ich wieder im Buss sitze fühle ich mich erschlagen. In einem älteren Viertel Kairos schlängeln wir uns, an den Ufern des Nils entlang, durch den Stau . Kairo ist gar nicht so chaotisch wie uns unser Guide glauben machen will, hier an den Ufern des Nils könnte man sich glatt an den Ufern Seine wähnen. Und so fällt mir auch gleich die Verwandschaft mit Paris ins Auge. Die alten sandfarbenen Wohnhäuser aus der Gründerzeit, die Boulevards, die Ausflugsschiffe auf dem Nil. Ich denke mir, dass ich noch einmal hierher kommen möchte, dann aber für länger.

(Originaltext von 2011)